Diagnose Schizophrenie – wie geht es jetzt weiter?
Die Schizophrenie gehört zu den schwerwiegendsten psychiatrischen Erkrankungen überhaupt. Sie ist gekennzeichnet durch ein komplexes und vielschichtiges Krankheitsbild. Leider ist die Schizophrenie noch immer mit vielen falschen Vorstellungen und Vorurteilen über Symptome und Auswirkungen belastet. Entgegen der weit verbreiteten Meinung hat die Schizophrenie nämlich nichts mit einer Persönlichkeitsspaltung zu tun. Wer zum ersten Mal als Betroffener mit der Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis konfrontiert wird, ist höchstwahrscheinlich extrem verunsichert oder gar verzweifelt. Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis stellen alle erstmals davon Betroffenen vor ein Rätsel: „Mein Empfinden, Denken und Handeln soll anders sein als das meiner Mitmenschen.“
Zukunftsängste bezüglich sozialer Kontakte, der beruflichen Weiterentwicklung und der Gesundheit machen sich breit. Wie geht es jetzt weiter? Diese Ängste und Sorgen beschäftigen aber nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Angehörige, die sich häufig überfordert und alleingelassen fühlen.
Wir möchten Ihnen auf dieser Website hilfreiche Informationen über die Erkrankung, ihre Hintergründe und die notwendigen Behandlungsmaßnahmen geben.
Impact der Erkrankung

Folgen der Erkrankung
Schizophrenie in Zahlen
Was ist Schizophrenie?

Wie entsteht eine Schizophrenie?
Die genaue Ursache der Schizophrenie ist noch nicht geklärt. Eins ist aber sicher: Den einen Auslöser gibt es nicht. Es mussten auch bei Ihnen mehrere Faktoren zusammenkommen, um die Erkrankung hervorzurufen. Hierzu gehören beispielsweise äußere Faktoren wie Stress, belastende Erlebnisse oder Drogen. Doch auch innere Faktoren wie die genetische Veranlagung und eine damit einhergehende Anfälligkeit für Schizophrenie spielen eine bedeutsame Rolle.
„Die“ Schizophrenie gibt es nicht. Unter dem Krankheitsbild werden Erkrankungsformen zusammengefasst, die sich im Erscheinungs- und Ausprägungsbild stark voneinander unterscheiden.33. Remschmidt H, Theisen F. Schizophrenie. Springer. 2011; XII; 250: 28 So können beispielsweise bei dem einen Patienten Antriebslosigkeit und Bewegungsarmut dominieren, während bei dem anderen Betroffenen verstärkt wahnhafte Gedanken und Halluzinationen (Sinnestäuschungen) in den Vordergrund treten.
Schizophrenie erkennen

Schizophrenie früh erkennen
Die Schizophrenie tritt in der Regel zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr zum ersten Mal auf. Bei Männern zeigt sie sich meist das erste Mal im Alter von 20 Jahren, bei Frauen im Alter von 25 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit, vor dem 10. Lebensjahr zu erkranken, liegt bei 0,1 – 1 %. Vor dem 15. Lebensjahr liegt sie bei etwa 4 %.5 5. Mehler-Wex C, Schriml SA. Jungend- und Adoleszenzpsychiatrie: Schizophrenie – Erste Symptome bei Kindern und Jugendlichen oft verkannt. Neurotransmitter. 2013; 1: 34-47. Schizophrene Veränderungen sind ein schleichender Prozess, der selten ganz plötzlich auftritt.2 2. Hell D, Schüpbach D. Schizophrenien – Ein Ratgeber für Patienten und Angehörige. Springer. 2016; IX; 154: 8. Vor oder zu Beginn der Erkrankung ziehen sich 90 % der Schizophrenie-Kranken zurück oder geben soziale Beziehungen komplett auf.2 2. Hell D, Schüpbach D. Schizophrenien – Ein Ratgeber für Patienten und Angehörige. Springer. 2016; IX; 154: 8. Grund ist ein zunehmendes Misstrauen gegenüber der Umwelt, das sich in Sätzen wie „Etwas ist los, ich weiß aber nicht was.“ oder „Sagt mir doch, was los ist.“ äußert.2 2. Hell D, Schüpbach D. Schizophrenien – Ein Ratgeber für Patienten und Angehörige. Springer. 2016; IX; 154: 8. Bei den ersten Anzeichen für die Erkrankung, in der Fachsprache als Prodromal-Phase bezeichnet, werden für die Umgebung wahrnehmbare und bei Ihnen stattfindende Veränderungen unterschieden.
Symptome

Die Symptome der Schizophrenie
Das Erscheinungsbild der Schizophrenie ist komplex und vielfältig. Die Krankheitsanzeichen (Symptome) kommen in unterschiedlichen Schweregraden und Ausprägungen vor. Auch der zeitliche Krankheitsverlauf kann sich von Patient zu Patient unterscheiden.
Das heißt, jede Schizophrenie ist so individuell wie die Betroffenen selbst.
Neben den positiven und negativen Symptomen können auch kognitive Defizite bei den Betroffenen auftreten, also Beeinträchtigungen im Bereich der Konzentrationsfähigkeit oder Gedächtnisleistung.7 7. Schizophrenia, National Institute of Mental Health, NIH Publication No. TR 15-3517.
Im Fokus: Negativsymptomatik
Negativsymptome wie Gleichgültigkeit, Antriebslosigkeit und Sprachverarmung sind wesentliche Charakteristika bei Schizophrenie und bei anderen psychotischen Erkrankungen weniger ausgeprägt. Sie beeinflussen häufig Ihre Lebensqualität und den Langzeitverlauf.8 8. Unger A et al. Negativsymptome in der Schizophrenie und ihre Differenzialdiagnose. Psychopraxis, Neuropraxis. 2018; 21 (2): 73-78. 50 bis 80 % der Betroffenen entwickeln mindestens ein Negativsymptom, das sich auf ihren Alltag auswirkt und sehr belastend für die Patienten ist.7 7. Schizophrenia, National Institute of Mental Health, NIH Publication No. TR 15-3517. So tragen die Negativsymptome maßgeblich zu einem schlechteren Funktionsniveau im Beruf und zur Beeinträchtigung Ihrer sozialen Interaktion bei. Außenstehende können das Vorliegen einer Negativsymptomatik an der großen Ähnlichkeit zu Symptomen einer Depression erkennen.
Einen gewissen Einfluss auf die Therapie der Negativsymptomatik haben auch psychosoziale Behandlungsoptionen wie soziales Kompetenztraining
(Ausbau von sozialen Fertigkeiten durch Gruppentraining) und kognitive Verhaltenstherapie (Beschäftigung mit persönlichen Einstellungen und Erwartungen).8 8. Unger A et al. Negativsymptome in der Schizophrenie und ihre Differenzialdiagnose. Psychopraxis, Neuropraxis. 2018; 21 (2): 73-78. Beispielsweise können Ihnen Gruppentrainings und dadurch angestoßene Aktivitäten helfen, die untätig verbrachte Zeit zu reduzieren und einer Unterforderung entgegenzuwirken. Das bestärkt Sie und andere Betroffene. Schrittweise können Sie so an mehr und längeren Unternehmungen mit Freunden und der Familie teilnehmen. Dies ist eine gute Grundlage dafür, dass sich langsam eine Tagesstruktur bei Ihnen einspielen kann.
Es wirkt sich zudem günstig aus, wenn Ihre Angehörigen einfühlsam mit Ihnen kommunizieren, auch wenn Sie sich nicht immer kooperativ verhalten können. Die drei genannten Punkte tragen dazu bei, dass Ihre Rückfallrate vermindert und eine längere Symptomfreiheit erreicht werden kann.
Den typischen Krankheitsverlauf gibt es nicht
Der Satz „Schizophrenie ist nicht gleich Schizophrenie.“ bringt die Herausforderung der Erkrankung auf den Punkt. Ihr individuelles Krankheitsbild, seien es die ersten Symptome oder deren Entwicklung, ist bezeichnend. Die Symptome Ihrer Schizophrenie können permanent bestehen bleiben, es kann aber auch
zu einer Verbesserung bis hin zu einem längeren Ausbleiben der Symptome (Remission) kommen.
Die Schizophrenie verläuft in aufeinander folgenden Phasen9 9. Oertel V, Hänsel F. Aktiv für die Psyche, Sport und Bewegungsinterventionen bei psychisch kranken Menschen. Springer. 2016

In der Residualphase ist vor allem die Medikamentengabe wichtig
Während dieser „Es-geht-mir-doch-gut-Phase“ ist es für die Betroffenen oft naheliegend, über eine Reduzierung der Medikamente nachzudenken oder es mit der Regelmäßigkeit der Einnahme nicht mehr so genau zu nehmen. Leider können Sie damit einen Rückfall provozieren, der Ihre bisher erreichten Erfolge gefährdet. Ein gutes Netzwerk aus Angehörigen und betreuendem medizinischen Personal kann hier unterstützen. Bei Fragen bezüglich der Medikamente können Sie sich jederzeit in einem vertrauensvollen Gespräch an Ihren behandelnden Arzt wenden.
Behandlung von Schizophrenie

Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlungsmöglichkeiten bestehen aus zwei Bausteinen: der medikamentösen Therapie und der Unterstützung der Betroffenen durch nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie Sozio- und Psychotherapie.
Der Fokus sollte jedoch auf einer guten Einstellung Ihrer medikamentösen Therapie liegen. Denn damit können Ihre schizophrenen Symptome (in akuten Phasen) reduziert bzw. ihrem Wiederauftreten nach einer Remissionszeit (Rückfallrisiko) entgegengewirkt werden. Die dafür verwendeten Medikamente werden Antipsychotika oder Neuroleptika genannt.
Antipsychotika kommen schon seit den 1950er Jahren zum Einsatz und erwiesen sich seitdem vor allem hinsichtlich der Behandlung positiver Symptome, wie z. B. Halluzinationen, als effektiv und wirksam. Diese „alte Generation“ der Antipsychotika, auch typische Antipsychotika genannt, weist allerdings teilweise starke, unangenehme Nebenwirkungen auf, weshalb sie von vielen Patienten vermieden wird. Die neue Generation der Antipsychotika, die atypischen Antipsychotika, sind in vielen Fällen besser verträglich und erhöhen so die Wahrscheinlichkeit, langfristig von einer Therapie zu profitieren.10 10. https://www.diepta.de/news/themen/repetitorium-schizophrenie-teil-3-535008/ (letzter Aufruf: 08.11.2018). 11 11. Leopold K et al. Frühdiagnostik und -behandlung der Schizophrenie. Psychopharmakotherapie 23. Jahrgang. 2016.
Mit Hilfe von Psycho- und Soziotherapie erhalten Sie lebenspraktische Hilfe, um Ihre vorhandenen Ressourcen zu aktivieren und um Sie zur Selbsthilfe zu bewegen. Diese Therapieangebote helfen Ihnen dabei, eine erhöhte Widerstandskraft (Resilienz) gegenüber für Sie kritischen Situationen zu entwickeln und können Ihre Einstellung gegenüber der Therapie (Compliance) positiv beeinflussen. Zudem erleichtern Ihnen Selbsthilfegruppen und ein sozialpsychiatrischer Dienst die Wiedereingliederung in den Alltag. Durch die verschiedenen Therapieangebote können Ihnen eine Alltagsgestaltung außerhalb der Psychiatrie (ambulant) ermöglicht und erforderliche Klinikaufenthalte verkürzt werden.
Sobald Du Dir vertraust, sobald weißt Du zu leben.
Johann Wolfgang von Goethe
Tipps für Betroffene und Angehörige

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Titelbild:©lightpoet
Man am Wasser: ©KarlGroße, Fotos shutterstock
Mischpalette: ©Syda Productions
Gitarre: ©Sergey Nivens