Von First Episode bis Negativsymptomatik: Experten betonen Vielseitigkeit von Reagila® anhand eigener Erfahrungen

Im Rahmen eines virtuellen Pressegesprächs am 30. Juni 2022 zogen Fatih Keskin, Oberarzt an der Klinik Königshof, Krefeld, und Dr. Thomas Aubel, stellvertretender Klinikdirektor der Kliniken Essen-Mitte, einen Vergleich zwischen der in klinischen Studien dokumentierten Wirksam- und Verträglichkeit von Reagila® (Cariprazin) und ihren eigenen Erfahrungen mit dem Antipsychotikum im Therapiealltag. In mehreren randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studien ermöglichte Reagila® bei Patienten mit akuten Schizophreniesymptomen eine signifikante und dosisabhängige Verbesserung gegenüber Placebo.1Durgam S et al. Schizophr Res. 2014;152:450–4572Durgam S et al. J Clin Psychiatry 2015;76:1574–15823Kane JM et al. J Clin Psychopharmacol. 2015;35:367–373 Wie eine aktuelle Auswertung der Akutstudien zeigt, besteht diese signifikant verbesserte Wirksamkeit unabhängig davon, ob sich die Patienten in einer frühen (0 bis 5 Jahre nach Diagnose) oder späten Phase (> 15 Jahre nach Diagnose) der Schizophrenie befinden (Abb. 1).4Falkai P et al. CNS Spectr. 2021;1–8

Abb. 1: Wirksamkeit von Reagila® in der frühen (0–5 Jahre) und späten Phase (> 15 Jahre) der Schizophrenie vs. Placebo. Mittlere Änderung gegenüber dem Ausgangswert nach 6 Wochen im Vergleich zu Placebo (** p < 0,01; *** p < 0,001). [modifiziert nach 4Falkai P et al. CNS Spectr. 2021;1–8]

In einer Monotherapie-Vergleichsstudie bei Patienten mit primärer Negativsymptomatik zeigte das Antipsychotikum zudem eine signifikant überlegene Wirksamkeit gegenüber Risperidon.5Németh G et al. Lancet. 2017;389:1103–1113 Hierdurch erwiesen sich die Patienten auch in ihrer psychosozialen Funktionalität deutlich verbessert.5Németh G et al. Lancet. 2017;389:1103–1113 Entscheidend für diese breite Wirksamkeit ist das einzigartige Rezeptorprofil von Reagila®. Als Partialagonist der D2-und D3-Dopaminrezeptoren weist Reagila® die höchste Affinität aller Antipsychotika zum D3-Rezeptor auf.6Kiss B et al. J Pharmacol Exp Ther. 2010;333(1):328–3407Stahl SM. CNS Spectrums. 2017;22:375–384 Hierdurch ergibt sich eine stabilisierende Wirkung, wobei das dopaminerge System bei einer Überfunktion gehemmt und bei einer Unterfunktion stimuliert wird. Die Bindung an den D2-Rezeptor vermittelt die Wirkung bei positiver Symptomatik, während die überlegene Affinität zum D3-Rezeptor ursächlich mit der Verbesserung der Negativsymptomatik und Alltagstauglichkeit in Verbindung gebracht wird.1Durgam S et al. Schizophr Res. 2014;152:450–4572Durgam S et al. J Clin Psychiatry 2015;76:1574–15823Kane JM et al. J Clin Psychopharmacol. 2015;35:367–3735Németh G et al. Lancet. 2017;389:1103–11136Kiss B et al. J Pharmacol Exp Ther. 2010;333(1):328–3407Stahl SM. CNS Spectrums. 2017;22:375–3848Fagiolini A et al. Ann Gen Psychiatry. 2020;19:55 Darüber hinaus, betonten die Experten, erwies sich Reagila® in den Studien allgemein gut verträglich. Zurückführen lässt sich dies auf die nur niedrig-mäßige Affinität zu histaminergen, alpha-adrenergen und muskarinergen Rezeptoren. Hierdurch wirkt sich die Reagila®-Therapie nicht oder nur geringfügig auf das Gewicht, Sedierung sowie metabolische und kardiovaskuläre Parameter aus. Durch die partialagonistische Wirkung am D2-Rezeptor führt die Behandlung zudem nicht oder nur geringfügig zu einer Erhöhung des Prolaktinspiegels und hat somit keinen wesentlichen Einfluss auf damit verbundene sexuelle Funktionsstörungen.9Citrome L. Neuropsychiatr Dis Treat 2018;14:2563–257710Huhn M et al. Lancet. 2019;394(10202):939–95111Pillinger T et al. Lancet Psychiatry. 2020;7(1):64–7712Barabássy Á et al. Neuropsychiatr Dis Treat. 2021;17:957–97

Dass sich diese Erkenntnisse aus den klinischen Studien in den Therapiealltag übertragen lassen, verdeutlichten Keskin und Aubel eindrucksvoll anhand von mehreren vorgestellten Patientenfällen. In Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in der Klinikambulanz präsentierte Keskin zwei Fälle aus der Langzeittherapie. Aubel ergänzte seine Perspektive aus der Behandlung akut-psychotischer Patienten und stellte dabei auch eine Kasuistik bei erstmaliger Schizophreniediagnose vor. 

Erfahrungen der Experten mit der Reagila®-Therapie

Patientenfall 1: Reagila® bei First Episode-Schizophrenie
Von Aubel dargestellt wurde der Fall einer 29-jährigen Patientin. Bei der jungen Frau wurde die erstmalige Diagnose einer paranoiden Schizophrenie gestellt, nachdem es aufgrund von bizarrem Verhalten und massiven Bedrohungserleben zur Einweisung kam. Eine ein Jahr zuvor durchgeführte Behandlung mit Olanzapin unter Annahme einer akut-polymorphen psychotischen Störung, setzte die Patientin eigenmächtig ab. Eine erneute Einstellung auf Olanzapin oder Risperidon lehnte sie aufgrund von negativen Erfahrungen im Hinblick auf eine mögliche Gewichtszunahme bzw. mögliche extrapyramidale Symptome ab und wünschte einen Therapiestart mit Reagila®. Innerhalb einer Woche wurde Reagila® zügig in 1,5 mg-Schritten auf 4,5 mg/Tag aufdosiert. Hierunter zeigte sie bereits eine deutliche Verbesserung der Kognition und ihrer Therapiebereitschaft. Die Patientin hatte im Vorfeld zunächst Medizin und dann Psychologie studiert, war aber noch weit von ihrem „alten“ Funktionsniveau entfernt. Da die im Rahmen des therapeutischen Drug Monitoring (TDM) gemessene Wirkstoffkonzentration von Cariprazin mit 9,40 ng/ml noch gering ausfiel, wurde die Dosis auf 6 mg/Tag erhöht. Nach vier Wochen Therapie und mit einem erreichten Blutspiegel von 14,40 ng/ml Cariprazin zeigten sich alle Symptome deutlich verbessert und die junge Frau konnte in die psychiatrische Institutsambulanz entlassen werden. Bei aktuell weiterer Verbesserung ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit plant sie nun die Wiederaufnahme ihres abgebrochenen Medizinstudiums.

Patientenfall 2: Reagila® bei akut-psychotischer Dekompensation
Dass Reagila® auch im Akutfall eingesetzt werden kann, zeigte Aubel anhand des aktuellen Falles eines 30-jährigen akut-psychotisch dekompensierten Patienten. Die ersten Erkrankungsjahre waren geprägt von wiederholt psychotischen Episoden, die initial ohne Medikation sistierten. 2018 kam es zur ersten stationären Einweisung. Nach zehn Tagen wurde die Behandlung abgebrochen und der Patient mit Risperidon 4 mg/Tag entlassen, was er bereits nach einem Monat eigenmächtig wieder absetzte. Eine zweite stationäre Akutbehandlung erfolgte nach erneuter psychotischer Dekompensation im Jahr 2019. Nach Einstellung auf Aripiprazol 5 mg/Tag wurde auch diese Behandlung abgebrochen. Daraufhin wurde der Patient als Notfall in der Klinik von Dr. Aubel aufgenommen, wo zunächst erneut Aripiprazol mit 10 mg/Tag eindosiert wurde. Hierunter zeigte sich eine massive Unruhe. Auf expliziten Wunsch des Patienten erfolgte eine Umstellung auf Reagila®. Mittels schnellem Aufdosierungsschema wurde das Antipsychotikum binnen drei Tagen schrittweise auf Reagila® 4,5 mg/Tag eingestellt. Bereits nach einer Woche war eine deutliche Verbesserung festzustellen. Bald zeigte sich ein guter Antrieb ohne Unruhe oder Akathisie und der Patient konnte stabil und arbeitsfähig entlassen werden.

Patientenfall 3: Reagila® bei paranoider Schizophrenie mit negativer Symptomatik
Keskin schilderte den Fall einer 25-jährigen, ledigen und bei den Eltern lebenden Patientin, die im Jahr 2017 die Diagnose paranoide Schizophrenie erhielt. Das ein Jahr zuvor begonnene Pharmaziestudium sowie eine spätere Ausbildung zur PTA brach die Patientin krankheitsbedingt ab. In dieser Zeit erfolgte eine ambulante Symptomkontrolle mit Risperidon 4 mg/Tag. Aufgrund von Behandlungsabbrüchen zeigte sich ein rezidivierender Krankheitsverlauf. Seit 2020 befindet sie sich bei Keskin in Behandlung, wo sie zunächst erneut auf Risperidon eingestellt wurde (3 mg/Tag). In der Folge beklagten die Eltern die zunehmenden Rückzugstendenzen ihrer Tochter, dass es an Selbstfürsorge mangele und dass ihre Tochter ihre Interessen nicht mehr verfolge. Es zeigte sich eine zunehmende affektive Verflachung, kognitive Desorganisation und depressive Reaktion. Bemühungen um eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement scheiterten bereits nach ersten Bewerbungsgesprächen. Im Februar 2021 wurde damit begonnen, die Patientin schrittweise auf Reagila® 4,5mg/Tag umzustellen. Risperidon konnte bereits zwei Monate später abgesetzt werden. Die Patientin wirkte bald offener, die Sprache flüssiger. Im Juli, so berichtete die Mutter, rief die Patientin erstmals wieder eine Freundin an. Im August 2021 erhielt sie die Zusage für einen Ausbildungsplatz.

Patientenfall 4: Reagila® bei Negativsymptomatik und mangelnder Verträglichkeit der Prämedikation
Der 42-jährige, verheiratete und 2-fache Familienvater konsumierte seit dem 17. Lebensjahr Cannabis. 2001 wurde bei ihm eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Die erste stationäre Behandlung mit einer teilremittierten Entlassung unter Olanzapin erfolgte im Jahr 2004. Der Patient war aggressiv-wahnhaft und zeigte keine Krankheitseinsicht. Olanzapin setzte er aufgrund einer Gewichtszunahme eigenmächtig ab. Nach vergeblichen Umstellungsversuchen und wiederholten Akutbehandlungen erfolgte seit 2011 eine Symptomkontrolle mit einem Olanzapin-Depot (405 mg/4-wöchentlich). Seit 2019 bestand eine persönliche und familiäre Unzufriedenheit aufgrund von starker Gewichtszunahme (+ 35 kg), häufiger Müdigkeit, geringer Stressresistenz, Überforderung und schlechter Selbstfürsorge. Als weitere Nebenwirkungen zeigten sich eine Dyslipidämie, eine Leberwerterhöhung und ein Anstieg des HbA1c-Wertes auf 6,3 %. Aufgrund dessen wurde Olanzapin auf eine orale Gabe mit zunächst 10 mg/Tag umgestellt. Im Abstand von vier bis sechs Monaten wurde Olanzapin weiter schrittweise um 2,5 mg auf 5 mg/Tag reduziert und seit November 2020 erfolgte eine zusätzliche Einstellung des Patienten auf Reagila® 4,5 mg/Tag. Seitdem ist der Patient wacher, aktiver und zeigt eine gesteigerte Teilhabe am Leben im sozialen und familiären Umfeld. Auch kam es zu einer Wiederaufnahme der beruflichen Aktivität auf 450 €-Basis. Sein Gewicht reduzierte sich bis 2022 um 7 kg und seine Laborparameter verbesserten sich ebenfalls (HbA1c 5,9 %, Leberwerte im Normbereich).

Die Kasuistiken unterstreichen die besonderen Eigenschaften des Partialagonisten, von denen Patienten mit unterschiedlichen Symptomausprägungen sowohl in der frühen als auch späten Phase der Schizophrenie profitieren können.